Liebe Leserinnen und Leser,
die Glaubwürdigkeit einer Botschaft bedarf vieler Säulen. Zuvorderst ist es die Glaubwürdigkeit des Boten, der für die Botschaft einsteht. Bestehen an seiner Lauterkeit Zweifel, kann die Botschaft noch so gut sein - man wird ihm nicht glauben. Aber auch die Form der Präsentation einer Botschaft hat Einfluss auf ihre Glaubwürdigkeit. Enthält die Form der Präsentation ein Versprechen, dass der Inhalt nicht halten kann, wird sie als Mogelpackung entlarvt. Wer einmal lügt, dem glaubt man aber nicht mehr.
Die Werbewirtschaft lebt von solchen Versprechen. Dem Kunden wird etwas verheißen, dass er braucht, damit er ein glückliches und zufriedenes Leben hat. Bedürfnisse werden erzeugt, bevor sie befriedigt werden. Heerscharen von Kommunikationsdesignern beschäftigen sich tagein tagaus mit der Vermittlung solcher Botschaften. Dabei geht es nicht um Kommunikation auf Augenhöhe, wie die Berufsbezeichnung "Kommunikationsdesigner" vermuten lassen könnte. Meist geht es eher um Manipulation.
Manipulation ist an sich ein durchaus erlaubtes Mittel in der Rhetorik. Den anderen von seinen eigenen Argumenten zu überzeugen, ist an sich nichts Ehrenrühriges. Die Textlinguistik sieht hierin die pragmatische Dimension von Texten. Der Autor möchte seine Leserinnen bzw. Hörer ja bewegen. Sie sollen sich etwas vorstellen, ihre Haltung oder Meinung ändern oder eben ein Produkt kaufen. Die Herstellung von Glaubwürdigkeit ist die eigentlich performative Kraft einer Botschaft. Performativ ist eine Botschaft, wenn die vom Autor beabsichtige Handlung oder das angezielte Verhalten auch wirklich erreicht bzw. umgesetzt wird. Erst dann ist das Ziel erreicht.
Die Mittel, die zur Erreichung dieses Ziels eingesetzt werden können, sind vielfältig. Logik und Argumentation gehören dazu, Leidenschaft mitunter auch - denn nur ein Mensch, der für seine Sache brennt, kann andere mitreißen.
Weist eine Botschaft allerdings auf den ersten Blick logische Brüche auf, erkennt die Hörerin bzw. der Leser sofort, dass er hier hinters Licht geführt werden soll. Selbst das kann ein beabsichtigtes Stilmittel sein, denn Satirikerinnen, Komödianten und professionelle Narren leben von dieser menschlichen Lust am Lachhaften. Lächerlich hingegen macht sich, wessen Absicht nicht der gewollte logische Bruch ist, sondern der Wunsch, anders zu scheinen als das Sein eigentlich zulässt.
Die Vermittlung einer Botschaft ist also durchaus komplex. Die Vorspiegelung falscher Tatsachen erschwert sie ungemein. Die kommunikativen Möglichkeiten der Gegenwart spülen ein Vielzahl solcher Selbstverirrungen in das kollektive Bewusstsein. Manch eine Performance wird sogar zum viralen Klickhit. Die reine Klickzahl überdeckt dabei das Fiasko für den Einzelnen, der sich zwar über eine ungeahnte Berühmtheit freuen darf, dafür aber seine persönliche Integrität nicht selten aufs Spiel setzt. Peinlichkeit war sicher nicht das performativ angestrebte Ziel.
Auch die Kirche ist nicht vor solchen kommunikativen Verirrungen gefeit. Es sind nicht nur singende Ordensschwestern oder Hochzeitspfarrer, die fragen lassen, ob hier die angekündigte Botschaft im Vordergrund steht oder nicht doch die Eitelkeit der Botinnen und Boten (das Originalvideo des Hochzeitspfarrers ist übrigens mittlerweile aufgrund eines Urheberrechtsproblems nicht mehr verfügbar). In diese eigenartige Entwicklung einer krampfhaften Sucht nach Relevanz ist jetzt auch das Erzbistum Köln mit einem Video eingetreten, das für den diözesanen Ministrantentag 2014 werben soll. Unter dem Titel "All in one rythm" beginnt das Video mit getragenen Orgelklängen, die später einem satten Sambarhythmus weichen. Dazu sieht man junge Menschen, die Messdienergewänder anlegen - nicht, um jetzt, wie man vermuten könnte, in die Kirche zu gehen. Nein, im Messdienerschrank stehen auch Fußballschuhe - und ab geht es auf den Fußballplatz. Dort schmeißt sich der Torwart in Talar und Rochett sofort auf die grüne Wiese. Wenig später sieht man dann die ganze Truppe in vollem Ornat Schwebebahn fahren, während andere sambatrommelnd den Rhythmus in die Füße und die Botschaft aus dem Kopf schlagen.
Es hat den Jugendlichen, die bei diesem Dreh mitgewirkt haben, sicher Spaß gemacht. Das sei ihnen gegönnt. Allein: Messdiener sind so nicht. Niemand spielt im Messdienerdress Fußball. Die jungen Leute, die im Messdienergewand stecken, möglicherweise schon. Warum zeigt man das nicht. Warum zeigt man nicht, dass Fußballspieler auch Messdiener sein können - alles zu seiner Zeit? Warum diese angestrengte Hippness, die niemand ernst nehmen kann, weil sie nicht realistisch ist? Ist das die Botschaft, die Messdiener aussenden wollen?
Mehr noch: Der ostinate Sambarhythmus löst nicht nur erlösend die quälend trübe Orgelmusik ab und lässt so darauf schließen, dass das wahre Leben mit Sicherheit nicht in der Eucharistiefeier in der Kirche stattfindet. Er ist sicher auch aus einem anderen Grund nicht zufällig gewählt. Die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien steht vor der Tür. Und auf dieser Welle muss man schwimmen. Es ist aber bei weitem keine perfekte Welle, denn allein die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien ist ein schöner Schein, hinter dessen Vordergrund zahlreiche soziale Probleme, Ausbeutung von Arbeitskräften und politische Konflikte stehen, die sich in zahlreichen Massenprotesten entlarven. Sind jungen Menschen und Messdiener von heute wirklich so unkritisch geworden, dass sie die revolutionäre Kraft der eigenen christlichen Botschaft für einen billigen Werbegag verschleudern?
Das sind harte Worte, mag jetzt manche Leserin und mancher Leser denken. Das stimmt. Aber klare Worte sind die Aufgabe der Botschafter des Gekreuzigten. Einer der ersten Botschafter kommt in der ersten Lesung vom dritten Sonntag in der Osterzeit des Lesejahres A zu Wort. Petrus hält seine erste große öffentliche Rede. Er, der noch wenige Tage vorher angesichts der Verhaftung Jesu jede Bekanntschaft mit ihm geleugnet hat, tritt am Pfingsttag vor die in Jerusalem versammelte Menge und hält seine erste Predigt - wie die Apostelgeschichte insinuiert, frei und ohne Manuskript. Freilich weist die lukanische Wiedergabe deutliche Spuren einer wohlüberlegten und rhetorisch durchdachten Komposition auf. So, wie die Rede jetzt in der Apostelgeschichte steht, ist sie eher der Werk des Lukas als das des Petrus. Aber darauf kommt es nicht an, denn Lukas blickt schon auf eine Erfolgsgeschichte christlicher Verkündigung zurück, die mit der öffentlichen Verkündigung der Apostel ihren Anfang nahm.
Petrus verkündet in seiner Rede die Botschaft von Jesus, dem Nazoräer, der am Kreuz starb und von den Toten auferstand. Er behauptet die Auferstehung nicht nur, er bezeugt sie. Der Verkünder Petrus tritt als Zeuge auf. Ein glaubwürdiger Zeuge spielt auch in Gerichtsverfahren eine beweiskräftige Rolle!
Petrus untermauert sein Zeugnis in der lukanischen Überlieferung aber auch durch eine theologische Argumentation. Er führt Schriftbeweise, wenn er die Auferstehung als in der Schrifttradition der Juden, dem christlichen Alten Testament, vorgeprägt darstellt:
Brüder, ich darf freimütig zu euch über den Patriarchen David reden: Er starb und wurde begraben, und sein Grabmal ist bei uns erhalten bis auf den heutigen Tag. Da er ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm den Eid geschworen hatte, einer von seinen Nachkommen werde auf seinem Thron sitzen, sagte er vorausschauend über die Auferstehung des Christus: Er gibt ihn nicht der Unterwelt preis, und sein Leib schaut die Verwesung nicht. Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen. (Apostelgeschichte 2,29-32)
In seiner Überlieferung legt Lukas dem Petrus außerdem einen Satz in den Mund, der ein heilsgeschichtliches Dilemma wieder spiegelt, dessen Spannung den christlichen Glauben bis heute prägt:
Jesus, den Nazoräer, den Gott vor euch beglaubigt hat durch machtvolle Taten, Wunder und Zeichen, die er durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst - ihn, der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht. (Apostelgeschichte 2,22f)
Jesus wurde nach Gottes beschlossenem Willen hingegeben und doch werden hier Gesetzlose für seinen Kreuzestod verantwortlich gemacht.
Der Mensch kann offenkundig nicht aus seiner Haut. Gottes Heilshandeln hängt auch an einem Verrat des Judas, an dem Desinteresse eines römischen Statthalters Pontius Pilatus und an der Feigheit eines Petrus, sicher auch an den politischen Interessen der damaligen Führer des Volkes Israel. Allein: Wäre Jesus eines natürlichen Todes gestorben - die Erlösung für alle, selbst für die Sünder, hätte es nicht gegeben.
Die Worte des Petrus sind Worte, die im Magen liegen. Sie müssen gekaut und verdaut werden, damit sie in den Kreislauf des Blutes und so ins Herz gelangen und von dort in den Kopf, wo die Entscheidung zum Handeln getroffen wird. Mut, Verstand und Tatkraft sind die Tugenden, mit denen die frühen Christen verkündet haben. Aus dieser Verkündigung ist eine Kirche gewachsene, die mache Krise, manche Verirrung, ja sogar manchen Bischof und manchen Papst überstanden hat - eine Kirche, deren Jugend heute Samba tanzt ... Mit Verstand, Mut und Tatkraft wird die Kirche aus das überstehen.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche,
Ihr Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal