Das Wort zur Woche (27. Oktober 2024 - 230. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B)

Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine, PR

Weiter, weiter, immer weiter …

Liebe Leserinnen und Leser,

das Priestertum scheint zur römisch-katholischen Kirche zu gehören wie der Petersdom nach Rom. Beide sind aber vergleichsweise spät in die Geschichte der Institution eingetreten. Der Petersdom wurde erst 1626 vollendet und ersetzte mit seinem Baubeginn im Jahr 1506 einen Vorgängerbau, die Petersbasilika von Konstantin dem Großen aus dem Jahr 324. Er ist die sicher bekannteste, aber nicht der ranghöchste Sakralbau in der römisch-katholischen Kirche. Sofern ein Ranking bei Sakralbauten überhaupt angemessen ist, steht an der Spitze die Lateranbasilika als eigentlicher Bischofskirche des Bischofs von Rom, des Papstes.

Auch das Priestertum gab es nicht von Anfang an. Mag auch noch so oft von einem „Herrenwillen“ gesprochen werden, dem sich das Priesteramt verdanke, - im Neuen Testament kommt es nicht vor. Jesus beruft einen Zwölferkreis, allgemein als Apostel bekannt – wahrscheinlich eher für ein Projekt auf Zeit zur Verkündigung des nahen Reiches Gottes – aber er weiht keinen von Ihnen. Er verleiht Ihnen die Kraft und Vollmacht über alle Dämonen und um Krankheiten zu heilen (vgl. etwa Lk 9,1). Eine Vollmacht, die er später in Judäa auch noch 72 anderen aus seiner Bewegung verleiht und diese bei ihnen noch um ein besonderes Spezifikum erweitert:

„Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat.“ (Lk 10,16)

Dieser Satz gilt nicht den Zwölfen, sondern den 72 anderen.

Auf die Apostel folgt die Zeit der Episkopen, der Bischöfe, denen Diakone zur Seite stehen. Verschiedene Stellen im Neuen Testament legen nahe, dass die Übertragung der Vollmacht durch Handauflegung und Gebet geschah. So heißt es etwa in 1 Tim 4,14:

„Vernachlässige die Gnade nicht, die in dir ist und die dir verliehen wurde, als dir die Ältesten aufgrund prophetischer Worte gemeinsam die Hände auflegten!“

Auch die Diakone wurden wohl durch Handauflegung und Gebet zu ihrem Dienst bestellt. Jedenfalls legt das die Beauftragung der sieben Diakone in der Apostelgeschichte nahe:

„Sie ließen sie vor die Apostel hintreten und diese legten ihnen unter Gebet die Hände auf.“ (Apg 6,6)

Nur Priester tauchen im Neuen Testament nicht auf. Weder hat Jesus die Ordination eingeführt, noch werden zu neutestamentlichen Zeiten Priester ordiniert. Jesus verleiht seinen Aposteln Vollmacht und bestätigt diese nach seiner Auferstehung und die Apostel geben diese Vollmacht weiter. Sie haben, wenn man so will, die Ordination eingeführt, um die Vollmacht Jesu authentisch zu bewahren. Das geschah wohl auch irgendwann im 2. Jahrhundert, als die Kirche wuchs und die frühkirchlichen Bischöfe Mitarbeiter beauftragten, in ihrem Namen im Umfeld der Bischofsstädte zu arbeiten. Als Bezeichnung übernahmen sie wohl einen Begriff aus dem zeitgenössischen Kontext: sacerdos auf lateinisch oder ἱερεύς (hiereús) auf Griechisch – Priester.

Bemerkenswert ist, dass sich das Wort ἱερεύς im Neuen Testament nicht als Bezeichnung für eine Funktion in der frühen Kirche findet – wohl aber mit einem speziellen Bezug auf Jesus Christus – und der findet sich in der 2. Lesung vom 30. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B:

„So hat auch Christus sich nicht selbst die Würde verliehen, Hohepriester zu werden, sondern der zu ihm gesprochen hat: Mein Sohn bist du. Ich habe dich heute gezeugt, wie er auch an anderer Stelle sagt: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchísedeks.“ (Hebr 5,5f)

Jesus ist der einzige Priester – es gibt keinen anderen. Seine Tat lässt sich nicht wiederholen, wohl aber vergegenwärtigen. Deshalb hat aus christlicher Sicht der kultische Dienst der menschlichen Priester des Alten Bundes aufgehört – wohlgemerkt: aus christlicher Sicht, weil Jesus Christus durch Kreuzestod und Auferstehung als der einzige Priester legitimiert wurde.

Viel wird in der Kirche der Gegenwart über das Priesteramt diskutiert. Im Zentrum stehen Fragen der Zulassung wie der des Zölibates oder der Weihe von Frauen. Das zentrale Problem des priesterlichen Amtsverständnisses der Gegenwart wird aber da deutlich, wo immer wieder ein Herrenwille beschworen wird, den es so nicht gibt. Das Priesteramt ist im Laufe der Kirchengeschichte entstanden – womöglich unter dem Wirken des Heiligen Geiste. Das aber würde bedeuten, dass der Heilige Geist neue Wege weisen könnte. Vielleicht ist es an der Zeit, völlig neu über das Amt des Priestertums nachzudenken. Wenn es nur einen wahren Priester gibt – Jesus Christus – , besteht dann nicht die Gefahr, dass der Blick auf ihn eher verstellt als vermittelt wird, wenn die, die den Blick lenken sollen, sich in ihrer Christusähnlichkeit überheben? Vielleicht braucht die Kirche heute eine Befreiung selbsterworbener Betriebsblindheiten, um zu dem Auftrag zurückzukehren, den Jesus wirklich erteilt hat:

„Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!“ (Mk 16,15)

Man muss Traditionen nicht disruptiv durchbrechen, um das Notwendige zu bewahren und neu denken zu können.

Ich  wünsche Ihnen eine gesegnete Woche.
Glück auf und Frieden über Israel,
Ihr Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal

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