Das Wort zur Woche (24. November 2024 - Christkönigssonntag, Lesejahr B)

Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine, PR

Ungeschminkt

Liebe Leserinnen und Leser,

die Welt scheint verrückt geworden. Die Clowns übernehmen die Herrschaft. In Russland schickt ein Diktator aus imperialer Eitelkeit Hundertausende in den Tod und in den USA wird bald ein neuer Präsident die Macht übernehmen, dessen erste Personalentscheidungen von seiner Vergangenheit als Protagonist einer TV-Reality-Show inspiriert zu sein scheinen. Das Fegefeuer der Eitelkeiten verspricht hohen Unterhaltungswert – würde es nicht um tatsächliche Realität gehen, in denen es für viele um vieles, wenn nicht gar die eigene Existenz gehen wird. Wo die Clowns regieren, gedeiht der Wahnsinn. Die Vernunft muss auf bessere Zeiten warten. Hoffentlich wird es nicht zu spät sein.

Auch in unserem Land stehe wichtige politische Richtungsentscheidungen an. Auch hier ist die Lust am Clownesken sichtbar. Die ohne Zweifel schwierige bis schwerfällige Ampelkoalition fand ihr Ende, weil auch hier das Eitle vor der Übernahme von Verantwortung stand. Das Ringen um die richtigen politischen Entscheidungen, die das Land in einer Situation weltweiter Krisen – angefangen vom Klima über die Kriege bis hin zu jenen Herausforderungen, die entstehen, wenn die modernen Medien selbst den Ahnungslosesten die massenhafte Verbreitung alternativer Fakten ermöglichen, und künstliche Intelligenzen Scheinrealitäten erschaffen, deren Wahrheitsgehalt kaum mehr zu überprüfen ist. Als wahr gilt, was wahr zu sein scheint – vor allem, wenn es den eigenen Vorurteilen entspricht. Wahrheit ist kein Gegenüber mehr, keine Herausforderung, um die man ringen muss. Aus dem Objektiven wird subjektiv Empfundenes. Die Wahrheit ist zu einem wandelbaren Geschöpf menschlicher oder auch künstlicher Fabulierkunst geworden, die das Auge des Betrachters so lange blendet, bis er selbst der objektiven Lüge Glauben schenkt.

Wahrhaftig: Die Zeiten scheinen apokalyptisch zu sein. Dabei ist Endzeit doch irgendwie immer. In allen Generationen gibt es diese Situationen, in denen sich die Endzeitvisionen zu erfüllen scheinen. In allen Generationen haben sich aber dann doch immer wieder jene Vernünftigen gefunden, die den Weg aus jenem Chaos gefunden haben, dass die Clowns in eitler und gottgleicher Selbstüberhöhung angerichtet haben. Wird es auch diesmal so sein?

Am letzten Sonntag des Kirchenjahres, dem Christkönigssonntag, richtet die Kirche den Blick auf den, den sie als eigentlichen König der Welt verehrt. Er ist – wenigstens für Christen – der, vor dem auch die Mächtigsten der Welt – vor allem die Clowns – eins Rechenschaft ablegen müssen, ob sie glauben oder nicht. Nicht ohne Grund steht das Lob auf diesen König am Anfang der Offenbarung des Johannes, bevor in ihr das große Spiel von Zeit und Ewigkeit entfaltet wird, bei der in der Ewigkeit der endgültige Sieg Gottes immer schon feststeht, während auf der Erde die Zeiten der Chaosclowns und der Rechtschaffenen immer wieder abwechseln. Von Anfang an stellt die Offenbarung allerdings fest, wer der Bezugspunkt des Seins ist. Und genau diese Proklamation wird in der zweiten Lesung vom Christkönigssonntag im Lesejahr B verkündet:

„Jesus Christus ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde. Ihm, der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut, der uns zu einem Königreich gemacht hat und zu Priestern vor Gott, seinem Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen. Siehe, er kommt mit den Wolken und jedes Auge wird ihn sehen, auch alle, die ihn durchbohrt haben; und alle Völker der Erde werden seinetwegen jammern und klagen. Ja, Amen. Ich bin das Alpha und das Ómega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung.“ (Offb 1,5b-8)

Für Christen ist das die große Hoffnung. Woran aber orientieren sich jene, die diesen Glauben nicht haben können?

Im Evangelium vom Christkönigssonntag des Lesejahres B steht Jesus Christus, den Christen als König bekennen, vor Pontius Pilatus als irdischem Richter. Der vermag in dem Gefangenen nicht den Sohn des Höchsten zu erkennen – so wie es viele bist heute nicht tun. Aber der Pilatus des Evangeliums scheint wenigstens an der Wahrheitsfindung interessiert zu sein. Einen Vers nach Ende des Evangeliums wird er fragen:

„Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38)

Merkwürdig, dass die Leseordnung diese skeptische Frage auslässt. Merkwürdig auch, dass die verkündete Einheitsübersetzung von 2016 den originären Wortlaut des griechischen Urtextes, sagen wir einmal, etwas willkürlich übersetzt. In dem verkündeten Evangeliums entspinnt sich ein Dialog über das Königtum und den Anspruch Jesu:

„Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Nun aber ist mein Königtum nicht von hier.“ (Joh 18,36)

Darauf fragt Pilatus:

„Also bist du doch ein König?“ (Joh 18,37a)

Worauf Jesus im Wortlaut der Einheitsübersetzung von 2016 antwortet:

„Du sagst es, ich bin ein König.“ (Joh 18,37b)

Und genau diese Übersetzung ist willkürlich. Sie hat den Charakter eines Selbstbekenntnisses, der im griechischen Urtext so nicht zu erkennen ist. Wörtlich übersetzt müsste die Antwort Jesu heißen:

„Du sagst, dass ich ein König bin.“

Jesus spiegelt die Aussage auf Pilatus zurück – um dann danach seinen (!) Anspruch in Abgrenzung dazu zu beschreiben:

„Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ (Joh 18,37c)

In dieser Selbstdefinition ist Jesus kein König, sondern ein Zeuge der Wahrheit. Er ist kein machtversessener Clown, sondern jemand, der bereit ist, für die Wahrheit seine Existenz aufs Spiel zu setzen. Er schickt aus lauter Eitelkeit keine Menschen über den Jordan, sondern sein eigenes Leben ein. Daran kann man die Freunde der Wahrheit erkennen, dass sie nicht den eitlen Ruhm auch auf Kosten anderer Suchen, sondern die Kosten der Wahrheit selbst tragen. Wahr ist letztlich nicht, was wahr zu sein scheint. Die Wahrheit ist nicht immer unterhaltsam. Sie ist bisweilen hart und herausfordernd. Die Wahrheit ist ungeschminkt gültig, sie war es und sie wird es sein. Wahrhaftig: Wenn die Clowns abtreten, kann das Königtum der Wahrheit beginnen.

Ich  wünsche Ihnen eine gesegnete Woche.
Glück auf und Frieden über Israel,
Ihr Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal

Alle "Wochenworte" finden Sie in unserem Weblog "Kath 2:30":
"Wort zur Woche" auf Kath 2:30

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