Das Fest ist gefeiert, die Geschenke sind ausgepackt, manche von innen werden heute wohl wieder umgetauscht. Die ersten Weihnachtsbäume liegen schon auf der Straße. Weihnachten ist vorbei. Sicher nicht in der Kirche – da dauert Weihnachten noch mindestens bis zum 6. Januar, dem Fest der Erscheinung des Herrn, im Volksmund auch Dreikönigsfest genannt. Die meisten Zeitgenossen aber dürften sich auf den Jahreswechsel vorbereiten in dieser Zeit „zwischen den Jahren“.
„Zwischen den Jahren“ – diese merkwürdige Redewendung hat ihre Wurzeln in Zeiten, in denen nicht ganz klar war, wann das neue Jahr begann. Erst mit der gregorianischen Kalenderreform im Jahr 1582 wurde der Beginn des Neuen Jahres definitiv auf den 1. Januar fixiert. Vorher begann für manche das Jahr mit dem 1. Advent, der heute noch der Beginn des neuen Kirchenjahres ist, für viele markierte der 25.12. als Hochfest der Geburt des Herrn den Jahresanfang. Aber auch der 6.1. galt für nicht wenige als Jahresbeginn. Die Unklarheit über den Zeitpunkt des Jahreswechsel führt zu der Redewendung einer Zeit „zwischen den Jahren“.
Die Zeit „zwischen den Jahren“ ist schon in vorchristlicher Zeit eine Phase der inneren Reinigung gewesen. Man schaffte Ordnung, räucherte die Ställe und Häuser aus, um böse Einflüsse zu tilgen, und versuchte das Böse vom Guten zu trennen. Die aus den Märchen bekannte Frau Holle hat als sagenhafte Gestalt hier ihre mythischen Wurzeln: Sie lässt es nicht nur schneien, sondern belohnt die Fleißigen mit einer goldenen Zukunft, während die Faulen Pech haben. Vielleicht hat der moderne Aberglaube der guten Vorsätze zum neuen Jahr hier seine Wurzeln. Das alte geht und ist vergangen. Das neue kommt und soll gestaltet werden. Jeder Vorsatz bezeugt den Willen, die Zukunft selbst zu gestalten. Auch wenn die meisten Vorsätze den Sonnenaufgang des ersten Tages des neuen Jahres nicht überstehen – der Wille, es selbst gestalten zu können, ist gut und richtig!
Das Jahr 2025 hält bereits jetzt große Herausforderungen bereit. Damit ist nicht nur die bevorstehende Bundestagswahl gemeint, sondern bereits der anstehende Wahlkampf. Nicht dass sich schon frühere Generationen von Politikern persönlich beharkt hätten – die rhetorischen Scharmützel von Herbert Wehner, Franz Josef Strauß und anderen sind bis heute legendär. Sie waren hart, aber eben auch herzlich. Bei aller Unerbittlichkeit galt immer ein Gebot der Fairness – und das nicht zuletzt, weil im Mittelpunkt der Streit um eine Sache stand.
Heute hingegen treten die Sachfragen oft in den Hintergrund; die Auseinandersetzungen hingegen werden in einem Maße persönlich, dass selbst kleinste Verbalinjurien als Beleidigungen aufgebläht und nicht selten schon zur Anzeige gebracht werden. Aber auch schwere persönliche Verunglimpfungen – vor allem Politikerinnen müssen hier oft sogar sexuelle Herabwürdigungen hinnehmen – finden gerade in den sogenannten „sozialen Medien“, die sich zunehmende zu asozialen Plattformen entwickeln, eine starke Verbreitung; zunehmend kommt es sogar zu physischen Angriffen. Wenn selbst die, die für ein konstruktives Miteinander in der Gesellschaft eintreten, durch destruktive Angriffe persönlich demoralisiert werden, darf man sich nicht wundern, dass die Klugen wieder einmal nachgeben und den nicht ganz so Klugen das Feld überlassen. Wie aber soll man mit jenen, die außer persönlicher Desavouierung wenig zu bieten haben, gute Politik machen – und das in Zeiten, in denen die Herausforderungen nicht weniger werden? Was glauben Sie denn?
In einem Fenster der diesjährigen Graffiti-Krippe der Katholischen Citykirche Wuppertal, die der Graffiti-Künstler Martin „Megx“ Heuwold gemeinsam mit Beschäftigten von proviel erstellt hat, stand ein zukunftsweisender Spruch:
„Wer anderen eine Blume sät, blüht selber auf.“
Gibt es Weise in der Politik in Bund, Land und Stadt, die den tieferen Sinn dieses Spruches erkennen? Sind Sie bereit, liebe Leserinnen und Leser, den Anfang zu machen? Es geht nicht um die Vermeidung von Streit. Kritik ist eine wichtige Haltung zur Wahrheitsfindung. Allerdings ist es schon eine Frage, ob das mit der Vernichtung und persönlichen Demütigung des Gegners einhergehen muss. Es ist schon zu viel Hass gesät worden in diesen Zeiten. Selbst Eis kann Blumen bilden. Was also hindert uns, die gute Zukunft selbst zu gestalten? Was auch immer Sie in diesem Jahr wählen werden … wählen Sie, was dem Leben dient!
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 27. Dezember 2024.
In der Kolummne “Was glauben Sie denn?” der Westdeutschen Zeitung Wuppertal äußert sich Dr. Werner Kleine regelmäßig zu aktuellen Themen aus Kirche, Stadt und Land. Alle Texte der Kolummne erscheinen auch im Weblog "Kath 2:30":