Dönekes - Geschichten von der Straße

Wenn die Kirche nach draußen auf die Straßen und Plätze geht, dann kann sie etwas erleben. Die Katholische Citykirche Wuppertal geht seit gut 20 Jahren immer wieder nach draußen zu den Menschen - und teilt mit ihnen Freude und Hoffnung, Trauer und Angst. Und manchmal kommt es zu unerwarteten Begegnungen und Überraschungen, die es wert sind, weitererzählt zu werden. In den Geschichten, die sich tatsächlich ereignet haben, wird deutlich, dass Verkündigung neue Wege gehen kann. Denn: Gott ist in der Stadt.

Ein Tag mit Gras

© Werner Kleine

Wer im Auftrag des Herrn unterwegs ist, den überrascht in der Regel wenig. Dass aber bundespolitische Entscheidungen zu aufregenden Begegnungen auf der Straße führen können, ist schon außergewöhnlich ...

In Wuppertal soll 2031 die Bundesgartenschau (BUGA) stattfinden. Den Organisatoren einer ans Chaos gewöhnten Stadt gefiel es deshalb, im Frühsommer des Jahres 2024 auf dem Platz am Kolk – gewissermaßen als Gruß aus der Zukunft – ein kleines wenig BUGA aufploppen zu lassen. Und so war auf der asphaltierten Fläche eines ehemaligen Parkplatzes mit der Popup-BUGA ein Sammelsurium an Paletten und Pflanzkästen zu sehen, das in seiner Ähnlichkeit dem Außenbereich des Gartensektors eines Baumarktes wenig nachstand. Gut: die zwei Bäume in der Mitte konnten als entfernte Reminiszenz des Gartens Eden verstanden werden. Wahre Erkenntnis aber entsteht nur aus der Begegnung.

Vielleicht war es die Absicht der Organisatoren der Popup-Buga, der Ödnis nach biblischem Vorbild schöpferisch Herr zu werden. Jedenfalls wurde ich gebeten, den einen oder anderen Beitrag zum Rahmenprogramm zu liefern. Gesagt, getan! Am 24. Juni 2024, dem Fest Johannes des Täufers, jenem Tag, an dem der Spargel geht und die Kräuter kommen, war ich um Punkt 12 Uhr auf dem Platz, um die Kräuter in den spärlichen Kästen und jenen der spärlichen Besucher zu segnen. Es war wirklich wie im Garten Eden. Als der Schöpfer die Kräuter sprießen ließ, war der Mensch nur ein Gedanke. Der Zuspruch hielt sich in Grenzen. Da näherte sich doch tatsächlich ein Mann, der dem Namen „Adam“ alle Ehre machte, denn er sah in der Tat aus, als sei er frisch von der Erde genommen. Man kannte sich – also die anwesende Organisatorin kannte den frisch von der Erde Genommenen … Was denn hier los sei?, fragte er.

„Der Dr. Kleine segnet Kräuter“, antwortete ihm die Organisatorin.

Und jetzt kam ich ins Spiel!

„Können Sie auch mein Kraut segnen?“, fragte er.
„Kommt drauf an, was es für ein Kraut ist …“, antwortete ich ahnungsvoll.
„Na, Gras halt – Marihuana. Ist ja jetzt legal.“
„Mein Freund, wenn ich dir das segne, dann knallt das so, dass du nicht mehr vom Himmel runter kommst. Ich wäre da also vorsichtig.“

Und dann kam sie, die Frage, auf die man als Mann und als Frau der Kirche wartet:

„Was sagt denn die Bibel darüber.“
„Ich würde Dir Psalm 141, Vers 2 empfehlen:‚Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet vor dir auf.‘“
“Geil, das steht da wirklich?“
„Auf jeden! Du darfst allerdings nicht beim Beten rauchen, sondern beim Rauchen beten!“, gab ich zu bedenken.
„Ok, hast du eine Bibel dabei?"
„Nein, aber ein Gebetbuch. Da steht der Psalm auch drin.“

Und dann erzählte er mir von seiner Konfirmation, von seinem evangelischen Jugendpfarrer und den Liedern, die man damals, Ende der 80er so gesungen habe. Im Übrigen sei mein Gebetbuch ideal zum Drehen einer Tüte – wg. des Knicks in der Mitte. Ob er das mal haben dürfe.

Er durfte – aber nur unter der Bedingung, mir zu zeigen, was er da so macht. Was Weed, Gras, Bubatz und wie man das Zeug so nennt, angeht, bin ich eher so jungfräulich wie die Gottesgebärerin bei der Ankunft des Engels Gabriel …

Ich lernte und er drehte – in meinem Gotteslob, im Knick des Psalmes 141. Ob ich auch mal ziehen wollte, fragte er. Ich lehnte ab – zu viele Klienten, die sich mit dem Zeug eine Psychose eingefangen haben, lassen mich vorsichtig werden. Dann zündete er sich den Joint an und fing an zu singen:

„Der Himmel geht über allen auf, auf alle über, über allen auf …“

Beim Rauchen sogar doppelt beten – alles richtig gemacht. Möge dem Herrn auch dieses Rauchopfer gefallen. Ob Lauterbach so weit dachte?

Ich bleibe trotzdem lieber bei Weihrauch, danke dem Allmächtigen aber für diese merkwürdig wundervolle Begegnung auf dem wüsten Boden des noch zu werdenden Paradieses in Wuppertal …

Dr. Werner Kleine

Gastfreundschaft kennt keine Angst

Dr. Werner Kleine im einem Gespräch am Stand der Katholischen Citykirche Wuppertal: Gastfreundschaft auf der Straße. (Foto: Christoph Schönbach)

Die orientalische Gastfreundschaft ist auch im Abendland sprichwörtlich. Freilich scheint das Bild eher aus den Erzählungen von 1001 Nacht oder den Geschichten des sächsischen Kara Ben Nemsi Effendi zu stammen, denn die vielen, die gegenwärtig in Syrien und Irak durch Krieg und Verfolgung aus ihrer Heimat vertrieben werden, hoffen nun auf ein gastfreundliches Abendland.

Am Stand der Katholischen Citykirche Wuppertal ergeben sich immer wieder Begegnungen mit anderen Kulturen. Es gibt Nachfragen und Anfragen, Streitgespräche über das Verständnis von Gott und Welt - gerade auch mit Muslimen. Wir überlassen in Wuppertal die Straße schließlich nicht allein den koranverteilenden Salafisten! Aber auch mit denen streiten wir - etwa über Freiheit, Gottesfurcht und Heidenangst.

Unlängst etwa unternahm ein junger Salafist einen Bekehrungsversuch. Er sprach mich unmittelbar mit einer Höllendrohung an: "Wenn du dich nicht zum Islam bekehrst, dann kommst du in die Hölle." - so eröffnete er das Gespräch. "Zuerst einmal: Guten Tag, mein junger Freund", antwortete ich ihm, "glaubst Du an Allah, den Allbarmherzigen?" "Ja!", antwortete er entschieden. "Wieso lässt Allah denn zu, dass es Nichtmuslime gibt?", fragte ich weiter. "Weil der Mensch frei ist. Freiheit ist aber schlecht." "Woher kommt die Freiheit denn", hakte ich nach. "Von Allah. Alles kommt vom ihm." "Aha", antwortete ich: "Wenn Allah mir Freiheit schenkt, und ich das Geschenk annehme und davon Gebrauch mache, kann Allah mir böse sein, wenn ich sein Geschenk gebrauche und nicht zurückweise?" ... der junge Salafist erkannte in diesem Moment wohl den 100. Namen Allahs und schwieg.

Ein anderes Mal, um ganz genau zu sein am 26. August 2015, standen ich und meine Kollegin am Kerstenplatz in Wuppertal-Elberfeld. Nach kurzer Zeit kam erneut ein Muslim auf mich zu. Auch er eröffnete unvermittelt: "Warum darf ich zu euch in die Kirche, ihr aber nicht bei uns in der Türkei in eine Moschee?" "Zuerst einmal: Guten Tag", antwortete ich. "Ich weiß nicht, ob es verboten ist, als Nichtmuslim in der Türkei eine Moschee zu besuchen. Hier in Wuppertal darf man das." "Doch, doch, bei uns ist das verboten", beharrte er. "Ihr müsst das auch verbieten!" "Aber wir haben keine Angst", antwortete ich. "Wie, keine Angst." "Nur wer Angst hat, verschließt die Türen. Wir sind ein gastfreundliches Land, und Christen haben keine Angst vor Fremden. Wenn ihr in der Türkei wirklich die Moscheen vor Christen schließt, dann müsst ihr große Angst vor uns und unserer Botschaft haben." "Angst ist nicht gut." dacht er nach. "Aber wer einen wirklich großen Gott an seiner Seite hat, der braucht keine Angst vor dem anderen zu haben", versuchte ich ihn zu trösten "Allahu akhbar. Unser Gott, der Vater Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott und Vater Jesu Christi, er ist wahrhaft groß. Bei Paulus, einem unserer großen Verkünder heißt es: 'Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns schieden von der Liebe Gottes, in in Christus Jesus ist, unserem Herrn.' (Römer 8,38f) Was also sollten wir fürchten?" "Ich werde meinen Leuten sagen, dass sie keine Angst vor euch zu haben brauchen", sprach er und ging weiter. Ob er sein Versprechen wahr macht - um der Gastfreundschaft willen?

Werner Kleine

Allahu akhbar!

Die Dreifaltigkeit. Vision Scivias II, 2. Hildegardis-Codex, ca.1165.

Dorthin zu gehen, wo die Menschen sind, gehört zum Grundauftrag der Katholischen Citykirche Wuppertal. Dabei kommt es immer wieder zu herausfordernden Anfragen. Man muss in diesen Situationen immer darauf gefasst sein, Rede und Antwort stehen zu können. Gerade in Wuppertal, der Stadt, in der die Salafisten zeitweise ein Zentrum unterhielten und die Scharia-Polizei durch die Straßen patroullierte, muss man als Katholik auf entsprechende Begegnungen gefasst sein. So geschah es im November 2014, dass ein junger Muslim auf der Alten Freiheit am Stand der Katholischen Citykirche Wuppertal auftauchte. Es ist der Platz, an dem auch die Salafisten häufig ihren Stand aufbauen. Er trat offensiv und herausfordern auf: "Allahu akhbar!" Und dann warf er mir vor seine Ansicht vor die Füße, ich sei ein Ungläubiger, weil ich an drei Götter glaube.

"Allahu akhbar!" - antwortete ich ihm. "Mein Gott ist groß! Als Vater hat er die Welt er schaffen, als Sohn hat er sich uns als Mensch gezeigt und als Heiliger Geist lebt und atmet er in uns Menschen." antwortete ich ihm. "Wie kann Gott an drei Orten gleichzeitig sein", versuchte er einzuwenden. "Wenn Allah das nicht kann, ist er zu klein für mich. Mein Gott ist größer! Allahu akhbar!"

Angesichts der Größe des dreifaltigen Gottes versagte es dem jungen Muslim zuerst die Sprache. Er ging schließlich weiter. Und ich bin mir sicher, dass auch in ihm der lebendigmachende Geist Gottes atmet. Ob er ihm auch Erkenntnis geschenkt hat, ist ungewiss. Sein "Allahu akhbar!" aber wird er hoffentlich nicht mehr als Schlachtruf missbrauchen, denn Gott ist größer.

Dr. Werner Kleine

Der Patron der Gastwirte

Roderich Trapp von der Wuppertaler Rundschau hat einen launigen und wirklich lesenswerten Beitrag in der satirischen Rubrik "Nach Toreschluss" veröffentlicht. Er befasst sich darin mit dem neuen Weltcafé in unserer evangelischen Schwesterorganisation der Citykirche Elberfeld. Die Empfehlung von Roderich Trapp unterstützen wir selbstverständlich. Allerdings fragt R. Trapp in dem Beitrag, wer den eigentlich der Schutpatron des Essens sei.
Im Namen der Katholischen Citykirche Wuppertal habe ich in einem Leserbrief auf diese Frage reagiert

"Liebe Redaktion der Wuppertaler Rundschau,

in der Rubrik 'Nach Toreschluss' haben Sie eine sehr launigen und lesenswerten Beitrag über das neu eröffnete Weltcafé in der Citykirche Elberfeld geschrieben. Sie haben völlig Recht: Ein Besuch bei unserer evangelischen Geschwisterkirche lohnt sich!In dem Beitrag gehen Sie investigativ der Frage nach, wer denn wohl als Heiliger für das Essen zuständig sei. Da alle Heiligen der Nahrungsaufnahme bedurften, dürfte dafür wohl ein wahre Wolke Heiliger zuständig sein. Trotzdem lagen Sie mit Ihrer Vermutung, dass der Hl. Laurentius damit etwas zu tun haben könnte, nicht ganz falsch. In der Tat ist der Hl. Laurentius der Schutzpatron der Gastwirte – allerdings weniger wegen des - auch im Wuppertaler Stadtwappen berücksichtigten - Grills (nebenbei sei bemerkt, dass es vor Jahren am Laurentiusplatz dort, wo sich heute das Primavera a merano befindet einen Imbiss mit der doch ein wenig speziellen Bezeichnung 'Laurentiusgrill' gab); vielmehr spielt da die Aufgabe des alten römischen Diakons Laurentius eine wichtige Rolle, der insbesondere für die Versorgung der Armen und Mittellosen in Rom zuständig war. Das ist mit Sicherheit auch der Grund, warum die Crêpespreise gedeckelt sind, so dass man eben nicht zwischen Sahne und Vanilleeis wählen muss, sondern – dem Hl. Laurentius sei Dank – für kleines Geld auch beides bekommt.
Der Hl. Laurentius – da bin ich mir sicher – hat gerade beim Weltcafé in der Elberfelder Citykirche seine Finger im Spiel, steht sie doch auf den Fundamenten der Kapelle der Burg Elberfeld, die eben jenem Laurentius geweiht war. Gerade deshalb sind wir als Katholische Citykirche Wuppertal der Citykirche Elberfeld besonders verbunden: Eine evangelische Kirche, die auf katholischen Fundamenten steht, und so sichtbar in die Stadt hineinwächst. Kann es ein schöneres Zeichen der Ökumene in Wuppertal geben? Es ist gut, dass eben jener Laurentius auch der Schutzpatron dieser Stadt ist. Es bleibt also dabei: Ein Besuch im Weltcafé der Citykirche Elberfeld lohnt sich – wegen der leiblichen, aber sicher auch der seelischen Stärkungen.
Mit herzlichem Gruß,
Dr. Werner Kleine"

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Spätfolgen einer Erstkommunion

Am 24. März 2010 war das Zelt der Katholischen Citykirche Wuppertal am Kerstenplatz in Wuppertal-Elberfeld aufgebaut. Katharina Nowak und ich hatten in das Zelt wie so häufig einen kleinen Tisch mit einer aufgeschlagenen Bibel und einer Kerze gestellt.
Nach einiger Zeit überquerten zwei Jugendliche, etwa 16 Jahre alt, den Platz und steuerten zielsicher auf das Zelt zu. Vor der Kerze blieben sie stehen. Der eine holte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Jacke und zündete sich eine an der Kerze an. Ich stand mittlerweile hinter ihm: "Das kostet ein Vater unser."
"Das kenn ich nicht", erhielt ich zur Antwort.
"Aber ich", antwortete sein Begleiter, "das habe ich in der Erstkommunionvorbereitung gelernt."
"Na, dann weißt du, was du zu tun hast", antwortete ich.
Im Weggehen hörte ich, wie der eine anfing: "Vater unser im Himmel ..."

Dr. Werner Kleine

Mission on the road

Auch "The Living Dead" waren bei der Motorradsegnung 2014 am Cafe Hubraum dabei - wenn auch sicher ungeplant (Foto: Werner Kleine).

Auf dem Weg zum Motorradgottesdienst im Rahmen der Biker Days am 4. Mai 2014 am Café Hubraum fährt vor mir auf der L74 von Wuppertal nach Solingen eine Gruppe Biker. Auf ihrer Kutte deutlich sichtbar der Schriftzug "The Living Dead". Die "Living Dead" sind ein Motorradclub, von dem es heißt, er stünde den "Hells Angels" nahe.

Beim Cafe Hubraum angekommen, steht einer der Biker von "The Living Dead" mit seiner Harley direkt vor mir an der Bühne, vielleicht um etwas zu provozieren. Klar, dass ich zum Einzug "All those Zombies" von The Hooters spielen lasse (immerhin geht es darin auch um Noah und Moses).

Es ist klar, dass bei den Biker Days nicht alle wegen des Gottesdienstes da sind. Es ist eine ganz besondere Atmosphäre. Zu Beginn des Gottesdienstes begrüße ich gerade die Gruppe "The Living Dead". Denn wir sind Brüder im Geiste. An einen Toten, der wieder lebt, glaube ich auch - und ich finde es bemerkenswert, dass Biker das so in die Welt hinausfahren!

Der lebende Tote vor der Bühne verzieht das Gesicht - und wird sich wahrscheinlich eine neue Kutte zulegen. Church beats Chapter. Ich sags ja immer: Wir sind überall! Man muss nur die Augen aufhalten und das Herz auf die Zunge legen.

Allzeit gute Fahrt!

(text: W. Kleine)

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logisch! Zeitung der Katholischen Citykirche Wuppertal