Das Wort Synagoge
Brandanschlag auf Gotteshaus


„Denn mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle Völker“ lautet die Inschrift auf der Fassade der Bergischen Synagoge. Gegen diese Fassade wurden mehrere Molotowcocktails geworfen ohne grösseren Sachschaden zu verursachen.

Text Daniela Ullrich
Bilder Christoph Schönbach

„In den frühen Morgenstunden des Dienstag, gegen 2.15 Uhr, meldete eine Anwohnerin der Polizei einen Brand im Bereich der Bergischen Synagoge an der Gemarker Straße in Barmen.“ Rein sachlich betrachtet, eine Pressemeldung der Polizei, wie sie täglich in den E-Mail-Posteingängen von TV-, Zeitungs- und Radioredaktionen einläuft. Nicht selten verbirgt sich hinter solch einer Meldung auch nicht mehr als der Brand eines Altpapiercontainers oder eines städtischen Mülleimers. Ein Wort aber unterscheidet die Polizeimeldung von anderen: das Wort Synagoge – ein brennendes Gotteshaus?

Nein: Fakt ist, am Gebäude entstand augenscheinlich kein Sachschaden. Lediglich ein Fleck an der Fassade zeugt von der Tat – sachlich betrachtet. Und: Nach bisherigem Ermittlungsstand warfen drei Täter mehrere Brandsätze in Richtung des Eingangs der Synagoge. Und damit endet aller Sachlichkeit Diskussionsgrundlage. Ein Anschlag, ein terroristischer Akt? Im Nahbereich der Synagoge konnte die Polizei noch in der Tatnacht einen 18-jährigen Tatverdächtigen mit bislang ungeklärter Staatsangehörigkeit festnehmen. Ein weiterer, 19-jähriger, mutmaßlicher Täter wurde im Zuge der Ermittlungen festgenommen. Er ist in Syrien geboren. Der 18-Jährige staatenlos, er bezeichnet sich selbst als Palästinenser.


Kurz nach dem Anschlag kommen ca. 200 Wuppertaler zur Synagoge um ein Zeichen zu setzen.

In der Nacht des Brandanschlags hatten schwere Bombardements den Gazastreifen erschüttert. Mindestens 43 Palästinenser wurden getötet. Der Anschlag eine Reaktion darauf, eine Übersprunghandlung? Sebastian Goecke von der Initiative für Demokratie und Toleranz weiß: Jüngste Studien haben ergeben, dass Antisemitismus immer noch fest in der Mitte der Gesellschaft verankert ist, vor allem unter Jugendlichen wächst er. Ein Grund: „Es gibt die Transformation eines politischen in einen religiösen Konflikt,“ sagt der 54-Jährige. Daraus würden sich bestimmte Meinungsbilder ergeben – sachlich ausgedrückt.


Artour Gourari, Gemeinderatsmitglied
der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal.

Ein emotional aufgeladenes Wort nimmt der Leiter der Initiative dann aber auch in den Mund: Hass. Denn: „Teilweise sind muslimische Jugendliche traumatisiert, sie kommen sich hilflos vor, entwickeln dadurch auch Wut.“ Die entlud sich nun scheinbar im Anschlag auf ein Gotteshaus, eine Synagoge. Viele Mitglieder, der Großteil der Gemeinde kommt aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Den Staat Israel haben die wenigsten von ihnen selbst bereist. Und jetzt: „Das Zentrum unseres religiösen Lebens ist angegriffen worden“, sagt Artour Gourari. Einen symbolischen Akt nennt das Gemeinderatsmitglied die Tat, aber auch einen Terroranschlag. Die Gemeindemitglieder waren schockiert, fassungslos. Denn eigentlich fühle Die jüdische Gemeinde sich als Teil der Gesellschaft. „Wir sind nicht dort, wir sind hier“, sagt er im Hinblick auf den Krieg im Gazastreifen. Der Konflikt, der dahintersteckt und seit Jahrzehnten nicht aufgelöst werden kann, er sei künstlich importiert. „Das klassische antisemitische Klischee“, so Gourari. Es käme nur aus einer anderen Richtung.


Sebastian Goecke von der Initiative für Demokratie und Toleranz.

Kritik an Israel, in Deutschland ist sie nicht gern gehört. Es sterben Menschen in Gaza, Menschen jüdischen Glauben sowohl als Menschen muslimischen Glaubens. Kann und darf die muslimische Gemeinde ausreichend um sie trauern, oder verhallt die Trauer? Sebastian Goecke hat beobachtet: „Die muslimischen Jugendlichen fühlen sich nicht gehört. Dadurch sehen sie sich als Opfer.“ Das Gefühl ein Opfer zu sein, im Gazastreifen haben es viele Menschen – egal welcher Nationalität, egal welcher Religionszugehörigkeit. Dieses Gefühl eint die Menschen hier und dort, dieses Gefühl bietet Identifikationspotential. Aber: Nicht mit Prävention hier vor Ort könne dem entgegengewirkt werden: „Es geht darum, alles dafür zu tun, diesen Konflikt dort zu lösen“, sagt Goecke. „Es kann keine Lösung sein, hier alte Feindschaften aufleben zu lassen, diese Feindschaften auch auszuleben und Anschläge zu begehen“, mahnt der Leiter der Initiative für Demokratie und Toleranz.

 

logisch! im Gespräch mit Artour Gourari, Gemeinderatsmitglied der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal.

logisch! im Gespräch mit Sebastian Goecke, Vorsitzender der „Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz e.V.“.

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