Ausgabe 8, März 2013

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Existenz 2.0
Das Leben, wie es sein sollte?

Foto: Internetsucht
In der virtuellen Welt darf man der sein, der man im wirklichen Leben nicht sein kann. Zum Beispiel ein Pandabär.

Text Eduard Urssu
Bild World of Warcraf

Anerkennung, Lob, Tadel, Weiterentwicklung und Andere an diesem Leben teilhaben lassen – so sollte es doch sein. Vielen Menschen, oftmals Jugendlichen, bleiben viele dieser Möglichkeiten verwehrt. Zumindest in der realen Welt. Im virtuellen Leben eines Internet-Spiels kann heute jeder genau das sein, was er oder sie schon immer sein wollte, oder zumindest nach außen darzustellen versucht. Online zu sein, ist mittlerweile ein rechtlich verbrieftes Grundbedürfnis unserer Gesellschaft. Damit steht auch der Zugang zu Online-Spielen und sozialen Netzwerken offen. Eine Möglichkeit mit vielen Chancen, aber auch mit großen Gefahren, warnen immer mehr Psychologen.

Nahezu alle Jugendlichen in Deutschland verfügen über einen Zugang zum Internet. Tablets, Notebooks, PC’s oder Smartphones sind aus unserem Arbeits- und Privatleben heute kaum mehr wegzudenken. Im Gegenteil – das Denken übernehmen ja immer öfter genau jene Rechenknechte im schicken Aludesign. Während der Mensch gebannt und gespannt vor dem hochauflösenden Display sitzt und sich über zahllose Pixel im Format von 16:9 oder 4:3 oder 08/15 freut. Doch die Gefahr, die sich hinter der alltäglichen Nutzung der „kleinen Helfer“ verbirgt, wird erst jetzt erkannt. Denn mit dem immer und überall verfügbaren Internet ist es wie mit anderen Suchtstoffen. Je mehr davon da ist, desto mehr wird konsumiert. Dabei ist das Internet aber kein Nebenbei-Medium wie etwa das Radio. Ganz und gar nicht, das Internet benötigt die volle Aufmerksamkeit, und kann dann zur Sucht werden. Mit der Verbreitung von Smartphones und Tablets ist das Internet so gut wie überall zugänglich. Statistisch betrachtet, besitzt jeder vierte Deutsche ein internetfähiges Smartphone. Nahezu jeder kann im Alltag online sein – und viele nutzen diese Möglichkeit.&nb

Übertrieben?

Ist aber eine solch kritische Betrachtung des technischen Fortschritts nicht vielleicht doch übertrieben? Ist es nicht erstrebenswert, dass Bürger immer und überall Zugang zu Informationen haben, immer auf dem neusten Stand sein können, sich mit anderen Bürgern austauschen können? Sicherlich – doch wo hört der gesunde Umgang mit dem Medium Internet auf, und wo beginnt das krankhafte Ich-muss-aber-immer-online-sein? Tatsächlich bestätigt eine vom Drogenbeauftragten des Bundes in Auftrag gegebene Studie, dass immer mehr junge Menschen suchtgefährdet sind. So werden bereits rund 2,5 Millionen Deutsche im Alter zwischen 14 bis 64 Jahren als problematische Internetnutzer eingestuft. Besonders gefährdet sind junge Menschen zwischen 14 und 24 Jahren – mehr als zwei Prozent von ihnen gelten bereits als abhängig.

Typisches Rollenverhalten?

Ging man bislang davon aus, dass vor allem Jungen online-suchtgefährdet sind, haben die Mädchen der Altersgruppe zwischen 14 bis 16 Jahren längst „aufgeholt“. Na klar, Jungs spielen lieber in Fantasia von Online-Spielen wie „World of Warcraft“ oder erledigen gefährliche Missionen auf historischen oder erfundenen Schlachtfeldern. Mädchen hingegen sind eher süchtig nach sozialen Netzwerken. Seitdem Facebook, WhatsApp oder Twitter zum Alltag gehören, wird deutlich, dass Mädchen mit chatten, twittern und (un)liken genauso internetsüchtig werden können. Laut der Studie verbringen in dieser Altersgruppe sogar deutlich mehr Mädchen Zeit im Internet als Jungen.

Suchtmerkmale

Wer bis zu 35 Stunden in der Woche zum reinen Vergnügen online ist, ist suchtgefährdet, da sind sich die Psychologen einig. Wer seine sozialen Kontakte lediglich im virtuellen Raum wahrnimmt, wer Schule und Arbeit für eine kleine Runde im Internet oder für ein „kleines Spielchen“ vernachlässigt, der hat vermutlich bereits ein Problem mit seinem Internetverhalten. Klaus Wölfing, Psychologischer Leiter der Ambulanz für Spielsucht in Mainz, erklärt dieses Verhalten folgendermaßen: „Die Betroffenen leiden sehr. Diesen Druck verspüren sie psychisch und physisch.“ Die Symptome sind vergleichbar mit denen von stoffgebundenen Süchten wie Tabak und Alkohol. Kontrollverlust, Angst und Reizbarkeit sind oft zu beobachtende Entzugserscheinungen. Doch obwohl dieses Problem mittlerweile gut dokumentiert ist, „haben wir einen sehr großen Mangel an Behandlungsangeboten“, sagt Klaus Wölfing.

Therapiemöglichkeiten

Und selbst wenn es ausreichend viele Behandlungsangebote gäbe, so müssten Betroffene sie zumeist aus eigener Tasche bezahlen. Auch wenn Internet- oder Spielsucht zumindest in der Praxis eine akzeptierte Sucht ist, bei den Krankenkassen rennt man damit keine offenen Türen ein. Zumindest gibt es Erstberatungsmöglichkeiten, um sich weitere Hilfe von Betroffenen oder zur Selbsthilfe einzuholen. Die kostenlose, auf Wunsch anonyme, telefonische Erstberatung der Ambulanz für Spielsucht in der Uniklinik Mainz ist von Montag bis Freitag, jeweils von 12 bis 17 Uhr, unter der Rufnummer 0800-1 529 529 zu erreichen. Auf der Internetseite www.internetsucht-hilfe.de ist zudem ein Selbsttest, aber auch eine Checkliste zu finden. Letztere richtet sich vor allem an Eltern, die wissen möchten, ob ihr Kind suchtgefährdet ist. 

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