Ausgabe 17, Juni 2016

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Zum Wohl der Allgemeinheit oder doch Prestigeprojekt?
Oberbürgermeister Andreas Mucke plädiert schon länger für mehr Bürgerbeteiligung bei politischen Entscheidungen. Das viel zitierte Hinterzimmer in der Wuppertaler Politik soll es nicht mehr geben. Gilt das auch bei einer ambitionierten Idee wie der Seilbahn?

Text SEBASTIAN A. SCHULZ

Der Hammer ist gefallen. Die Ratssitzung ist beendet. Für viele Bürger war die Wuppertaler Stadtratssitzung am 7. März eine wichtige Etappe bei der Entwicklung des umstrittenen Seilbahnprojektes. Wie geht es weiter? Wer darf entscheiden? Das Ergebnis ist laut Umfragen für viele ernüchternd, aber nicht unerwartet. Denn anstelle eines Bürgerentscheides zu den Facetten des Projektes bleibt es nun bei einem so genannten Bürgergutachten. Im Klartext: zufällig ausgewählte Bürger werden mit Daten, Gegnern und Befürwortern konfrontiert, um auf dieser Basis bei einem Gutachten mitzuwirken.

Selbst für die Initiative der Gegner „Seilbahnfreies Wuppertal“ erscheint das zumindest als Chance, endlich an die statistisch verwertbaren Daten und Zahlen der Wuppertaler Stadtwerke zu kommen. Wie der Vorsitzende Antonino Zeidler sagt, handelt es sich um Daten, welche die Initiative bereits „seit Monaten fordert“. Wie viel Auslastung haben die Busse, die zur Universität fahren? Wie sieht es in Stoßzeiten aus? Kann die Seilbahn eine Alternative sein? Die Antworten sind aus Sicht der Initiative bislang ausgeblieben. Ein Grund mehr für die Gegner der Seilbahn, auch andere Ansätze zu verfolgen. „Am Anfang dominierte die persönliche Betroffenheit, was uns oft zum Vorwurf gemacht wurde“, erklärt Antonino Zeidler. Mittlerweile argumentieren die Seilbahngegner auch juristisch. Die Begründung von Antonino Zeidler: „Macht es jetzt wirklich Sinn, viel Geld für Gutachten auszugeben, wenn doch eigentlich die Situation vor Gericht kaum Bestand haben wird?“

Dass das Projekt Seilbahn juristisch angreifbar sein könnte, liegt für den Juristen Dr. Jochen Heide auf der Hand. Außerdem steht zur Debatte, ob Anwohner unterhalb der Gondeln eine Nutzung ihres Besitzes akzeptieren würden. Denn Fakt ist: auch der Bereich über den Dächern des eigenen Hauses ist Teil des Besitzes. Sowohl Gegnern als auch Befürwortern ist klar, was das heißen kann: Enteignung.

Inzwischen liegt ein Rechtsgutachten der Bürgerinitiative „Seilbahnfreies Wuppertal“ gegen das Seilbahnprojekt vor. In diesem Gutachten „zur Zulässigkeit der Errichtung einer Dreiseilumlaufbahn in Wuppertal im Rahmen des Projektes ‚Seilbahn 2025‘“ heißt es: „Nach Maßgabe des Artikel 14 Absatz 3 des Grundgesetzes ist eine Enteignung nur dann zulässig, wenn sie dem Wohl der Allgemeinheit dient und nicht etwa lediglich privatnützig ist.“ Den Nutzen der Seilbahn für das Wohl der Allgemeinheit sehen die Seilbahngegner nicht – Die Vertreter der Initiative gehen nicht von einer besseren Bilanz der Seilbahn im Vergleich zum jetzigen Nahverkehr aus. Weiterhin stellt das Gutachten in Frage, „ob die Enteignung zwingend geboten ist, um jedenfalls eine Verbesserung der Situation des öffentlichen Personennahverkehrs zu bewirken.“

Auf 58 Seiten werden Europa-, Bundes- und Landesrecht herangezogen. Der Laie erfährt zum Beispiel, dass es in NRW eigene Seilbahn-Gesetze gibt. Zuletzt bleibt jedoch der Hinweis auf den 7. Artikel der Europäischen Grundrechte-Charta: „Jede Person hat das Recht auf die Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“

Auf Seiten der Seilbahn-Befürworter herrscht Unverständnis. Das Gutachten sei dem jetzigen Stand der Planung nicht angemessen. Für die Bürgerinitiative „Pro Seilbahn“ ist das Projekt bisher noch nicht in einer Phase, wo es befürwortet oder abgelehnt werden könnte. Doch auch abseits von Befürwortern und Gegnern der Seilbahn macht sich Kritik breit. Einzelne Mitglieder der etablierten Parteien in Wuppertal sorgen sich um die Transparenz und um die Zusammenarbeit zwischen dem Rat und den Stadtwerken. Als Unternehmen, so meinen es auch die Vertreter der Seilbahn-Gegner, würden die Wuppertaler Stadtwerke derzeit nicht wirtschaftlich handeln. Ein Pilotprojekt ohne Erfolgsprognose wäre in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen schnell vom Tisch, wie es Antonino Zeidler ausdrückt. Und ein wichtiger Punkt bei derartigen Überlegungen hat nach wie vor Bestand: die Stadt Wuppertal als Haupteigentümerin der Stadtwerke müsste einen Gewinn, aber auch einen Verlust mittragen. Trotz einer bisher angekündigten Deckung eines Großteils der Baukosten durch Fördergelder, stehen laufende Kosten für Wartung und Betrieb der Seilbahn in den Sternen.

Jochen Heide sieht als vertretender Jurist des Gutachtens keinen wirklichen Nutzen der Seilbahn, dafür aber juristische Risiken. So kommentierte er bei der Präsentation des Gutachtens: „Es muss mehr dahinter stecken, als der Versuch etwas für den Tourismus oder ein Leuchtturmprojekt zu machen“. Doch bei Durchsicht des Rechtsgutachtens fällt auf, dass auch bei den genannten juristischen Lücken immer mehr als nur eine Auslegung möglich ist. Ein Beispiel ist die Gefährdung eines Landschaftsschutzgebietes, wie es in dem Dokument heißt: „Dieses Gebiet wird durch ein Biotop (Quellgebiet Hatzenbecker Bach) geprägt“. Doch heißt es weiter: „Allerdings dürfte der Umstand, dass durch die Errichtung einer Dreiseilumlaufbahn das Landschaftsbild optisch nachhaltig und schwerwiegend verändert wird, dazu führen, dass dieser Aspekt als abwägungsrelevanter Belang zu bewerten ist“.

Letztlich sehen sich Befürworter und Gegner der Seilbahn sogar in denselben Kritikpunkten des Rechtsgutachtens auf der richtigen Seite. In Sachen Umweltverträglichkeit gilt die Seilbahn als Zerstörer von Grünanlagen. Zum anderen soll sie die Umweltbilanz positiv beeinflussen, da sie die Belastung des bisherigen Nahverkehrs verringern soll. Kritiker befürchten eine dauerhafte Einsparung in anderen Bereichen des Personenverkehrs. Hinter der Kontroverse um das Für und Wider einer Seilbahn in Wuppertal, sollte die grundsätzliche Frage des Rechtsgutachtens nicht in Vergessenheit geraten: Dient ein solches Infrastrukturprojekt tatsächlich dem Wohl der Allgemeinheit?

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