Ausgabe 14, April 2015

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Erste Hilfe mit Stadtplänen und Wörterbüchern
Viele Bürger wollen Flüchtlingen in Wuppertal helfen, doch manche Hilfe hilft nicht weiter

Der junge Median konnte mit Hilfe der Caritas zu seinen Eltern nach Wuppertal gebracht werden.

Text Eduard Urssu
Bilder Privat

Mehr als 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Während Pakistan mehr als 1,6 Millionen dieser Flüchtlinge aufgenommen hat; der Iran mehr als 800.000 und der Libanon, halb so groß wie Hessen, ebenfalls mehr als 800.000; lag die Zahl der Asylanträge in Deutschland in 2014 bei etwas mehr als 200.000. Das war eine enorme Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren, vergleichbar mit den Flüchtlingszahlen infolge des Jugoslawien-Krieges Anfang der 1990er-Jahre. Das Bundesamt für Integration und Flüchtlingsorganisationen rechnen für das kommende Jahr mit einer halben Million Asylanträgen in Deutschland. Angesichts dieser Prognose haben Hilfsorganisationen zu Spenden und aktiver Unterstützung von Flüchtlingen aufgerufen. Auch Bund und Länder haben den Kommunen mehr Unterstützung, vor allem mehr Geld zugesagt. So werden zumindest einige Forderungen erfüllt, die Wuppertals Oberbürgermeister Peter Jung als Vorsitzender des NRW-Städtetages bereits Anfang des Jahres stellte. Schließlich, so Jung damals, gehe es nicht allein um die Unterbringung von Flüchtlingen, sondern auch um die Organisation von Schulbesuchen der Kinder und den Sprachunterricht. Dies müsse nicht nur für die in Wuppertal 1.223 aufgenommenen Flüchtlinge in 2014 sichergestellt werden, sondern auch für die in diesem Jahr erwarteten 1.800 Menschen.

Allerdings kann die Stadt, Geld hin oder her, die Integration der Flüchtlinge alleine nicht stemmen. So vertrauen die Mitarbeiter des Ressorts Zuwanderung und Integration in Punkto Unterbringung auf ein großes Netzwerk an privaten Vermietern und Wohnungsgesellschaften. „Aber allein für die eingehenden Kleiderspenden haben wir nicht die nötige Infrastruktur“, erklärt Hans-Jürgen Lemmer, Leiter des Ressorts, und bittet Bürger, diese bei Diakonie, Wuppertaler Tafel oder Caritas abzugeben.

Neue Nachbarn

Letztere erfährt durch die Initiative des Kölner Erzbischofs zusätzlichen Rückenwind. So rief Rainer Maria Kardinal Woelki bereits im November 2014 mit der „Aktion Neue Nachbarn“ zu einer gemeinsamen Flüchtlingskultur auf. Eine Million Euro stehen den katholischen Gemeinden dafür insgesamt für mehr Unterstützung von Flüchtlingen zur Verfügung. „Es ist wieder Zeit die Herzen zu öffnen – Aktion Neue Nachbarn“, ist auf der Internetseite des Erzbistums Köln zu lesen. Bei vielen Bürgern ist dieser Aufruf anscheinend etwas missverständlich angekommen.

Ein jesidisches Flüchtlingslager im irakischen Zakho.

Statt mit Fragen oder Hilfsangeboten an Caritas, Diakonie und Co. heranzutreten, öffneten viele Bürger erst einmal alte Kleidertruhen und durchstöberten ihre Keller und Dachkammern. Hanebüchen, was da teilweise zum Vorschein kam, sagt Elisabeth Cleary, Diplompädagogin im Internationalen Begegnungszentrum der Caritas in Wuppertal. „Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist riesig, einfach überwältigend. Wir bekommen zahlreiche Spenden.“ Und dann kommt es doch, das berühmte „aber“. Denn bei manchen Kleiderspenden wisse sie nicht, ob sie lachen oder weinen solle. „Es sind Kleiderspenden darunter, die wir nicht ablehnen, um die Bereitschaft, helfen zu wollen nicht dämpfen zu müssen. Dabei muss man sich schon fragen, was wir mit einer Kiste mit 150 Krawatten tun sollen“, stellt Elisabeth Cleary in den Raum, spricht die Antwort aber nicht aus. Sollen wir nun jedem Flüchtling zur Begrüßung eine Krawatte und eine Tasse guten Bohnenkaffee reichen? Über solche rhetorische Fragen kann Elisabeth Cleary nicht lachen, kaum einmal schmunzeln. Zu groß sind die Probleme der Flüchtlinge vor Ort. Neben den Kontingentflüchtlingen, die schon vorab eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, gibt es auch viele Flüchtlinge, die zum Beispiel gegen das Dublin-II-Abkommen verstoßen. Dieses besagt, dass Flüchtlinge in dem Land der Europäischen Union ihren Asylantrag stellen müssen, welches sie zuerst betreten haben. „Die jungen Menschen, die über Lampedusa kommen, die wollen aber nicht zurück nach Italien. Oder die über Griechenland, Rumänien oder Ungarn kommen, die möchten eher zurück in ihre Heimat abgeschoben werden. Diesen Menschen helfen wir natürlich bei den Anträgen, aber es wäre falsch, ihnen in diesen Fällen Hoffnung zu machen“, sagt die Caritas-Mitarbeiterin. Und auch neben solch „extremen“ Fällen gestaltet sich die Arbeit zumeist schwierig. Das liegt oft daran, dass viele hilfsbereite Bürger sich mit verqueren Vorstellungen von Flüchtlingen beim Fachdienst für Integration und Migration melden, erzählt Leiterin Anita Dabrowski: „Derzeit sind wir auf zahlreichen dezentralen Infoveranstaltungen vertreten. Das ist sehr aufreibend. Daher planen wir eine große, zentrale Veranstaltung, um die häufigsten Fragen klären zu können.“ So gibt es den Flüchtling in der Realität nicht, vielleicht noch in den teils romantischen Fantasien mancher Außenstehender. „Die Menschen möchten etwas zu tun haben, möchten sich aktiv einbringen. Das bloße Herumsitzen oder an die Decke starren, das halten gerade die jungen unter ihnen kaum aus. Ich nenne das die ‚Migrationskrankheit’, die macht die Menschen irre“, sagt Elisabeth Cleary. Daher suchen die Caritas-Mitarbeiter Beschäftigungen für ihre Klienten. Naheliegend sind Sportprogramme, Fußball vor allem. Erste Gespräche mit Sportvereinen sind schon geführt. Doch auch die Vereine leiden unter Betreuermangel, und bislang gibt es noch keine verbindliche Zusage. Und ein Besuch im Zoo, der Oper oder dem Museum, so wie sie manche ehrenamtliche Helfer organisieren, ist zwar mal ganz schön. „Für die Kinder sind solche Angebote sicherlich ganz wichtig. Aber die Eltern benötigen meist konkrete Hilfestellung“, erklärt Elisabeth Cleary. „Zum Beispiel eine Eins-zu-eins-Betreuung. Vielleicht gibt es Jura-Studenten mit Migrationshintergrund, die sich einbringen möchten und bei Anträgen helfen. Oder Dolmetscher, die brauchen wir für die unterschiedlichsten Sprachen.“ Sicher, arabisch ist wegen der vielen syrischen Flüchtlinge sehr gefragt. Aber schon mit etwas flüssigem Englisch wäre vielen Flüchtlingen geholfen. Wie dem einzigen Flüchtling aus Tibet, der von Elisabeth Cleary betreut wird. „Es ist einfach unglaublich zu sehen, wie ein Mensch nach so viel erlittenem Leid sich so fantastisch entwickelt hat“, deutet Elisabeth Cleary das Schicksal des jungen Mannes nur an. Und dann ist da noch Median. Der junge Iraker jesidischer Abstammung musste bei der Flucht von seiner Familie zurückgelassen werden. „Die Behörden haben ihn nicht ausreisen lassen, weil er keinen Pass hatte“, erinnert sich Elisabeth Cleary. So musste Median bei den Großeltern bleiben und verbrachte mehrere Wochen in einem Flüchtlingslager. Mit viel bürokratischem Aufwand haben die Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit Caritas international für den Jungen die Ausstellung eines Passes erwirken können. „Wir haben dann dem Vater Geld für die Reise in die Türkei und Reisepapiere für seinen Sohn mitgegeben. Damit konnte er ihn dann aus dem Flüchtlingslager in Zakho abholen“, erzählt Elisabeth Cleary – und ist wieder in ihrem Element: Helfen, wo Hilfe benötigt wird und sich dabei immer auf das Wesentliche konzentrieren – auf den Menschen! „Natürlich sind Kleiderspenden immer willkommen. Vielleicht nur nicht mehr so viele Krawatten“, sagt Elisabeth Cleary mit einem kleinen Lächeln. Was aber dringend benötigt wird, „dass sind Stadtpläne, um sich in Wuppertal zurecht zu finden. Und natürlich Wörterbücher, vielleicht Deutsch-Englisch oder, wer hat, auch Deutsch-Arabisch.“

Information

Das Internationale Begegnungszentrum der Caritas in der Hünefeldstraße 54a ist telefonisch unter 0202 28052-16 zu erreichen.

Im Rahmen der Aktion Neue Nachbarn wird demnächst ein weiterer Mitarbeiter eingestellt, der die Hilfsangebote koordiniert. Die Stelle ist zunächst auf zwei Jahre befristet.

Die Diakonie Wuppertal vermittelt Hilfsangebote über den Zentralruf 0202 97444-0 weiter.

Wohnungen können dem städtischen Ressort Zuwanderung und Integration unter der Rufnummer 0202 563-9009 angeboten werden.

Informationen zu Flüchtlingszahlen, Asylrecht und Asylverfahren, können auf den Internetseiten www.uno-fluechtlingshilfe.de oder www.proasyl.de nachgelesen werden.

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