Ausgabe 13, Dezember 2014

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Immer schön die Augen offen halten...
Die Wuppertaler Stadtwerke filmen ihre Kunden, ohne dies zu kennzeichnen. Ist das rechtens?

Text Eduard Urssu
Bilder Christoph Schönbach

Sie sehen schick aus, verraten interessierten Passanten die nächsten Anschlussmöglichkeiten und die Uhrzeit sowieso – die Haltestellenautomaten der Wuppertaler Stadtwerke, wie man sie beispielsweise am Wall findet. Das diese Automaten noch viel mehr können, ist einem Wuppertaler bereits im vergangenen Jahr aufgefallen.

Er möchte namentlich nicht genannt werden, im folgenden Beitrag nennen wir ihn Rolf Schneider. „Damals habe ich vor dem Automaten gestanden und entdeckte dann diese Kameralinse, in die ich die ganze Zeit unbewusst hinein geschaut habe“, erinnert er sich. Mal gucken, wer da guckt, dachte sich Rolf Schneider und schrieb die Stadtwerke an. Der WSW-Datenschutzbeauftragte antwortete prompt: „Der Zweck der Videoüberwachung liegt in der Wahrnehmung von Sorgfaltspflichten, gerade auch an verkehrsreichen Haltestellen, nämlich dafür Sorge zu tragen, die Fahrgäste sicher zu befördern. Allerdings“, so heißt es in der Stellungnahme weiter, „teilen wir Ihnen mit, dass derzeit keine Aufzeichnung stattfindet.“ Wohl um weitere Anfragen zu vermeiden, wurden die Kameralinsen an den Haltestellenautomaten dann auch kurzerhand mit roten Aufklebern abgedeckt. Doch diese Aufkleber sind mittlerweile verschwunden, zumindest an den stark besuchten Haltestellen, und die Kameras damit scharf geschaltet. Ist das datenschutzrechtlich zulässig? Rolf Schneider zweifelt daran: „Schließlich kann man mit der entsprechenden Software ganz einfach ein Bewegungsprofil erstellen. Zum Beispiel, aus welchem Geschäft ich komme, an welcher Haltestelle ich ein- und aussteige, in welcher Apotheke ich einkaufe, womöglich sogar noch, was ich einkaufe. Das sind mir einfach zu viele Informationen in den Händen Dritter. Ich verstehe schon, dass die WSW gut auf Ihre Kundschaft aufpassen möchte. Ich möchte allerdings meine Fußwege nicht nach der Intensität ihrer Überwachung aussuchen müssen.“ Rolf Schneiders Anfrage, ob die beobachteten Bereiche deutlich markiert werden könnten, lehnten die Wuppertaler Stadtwerke ab: „Eine Kennzeichnung der entsprechenden Flächen ist nicht beabsichtigt und wäre auch nicht zielführend, da diese Bereiche nicht sinnvoll abgegrenzt werden können“, erklärte WSW-Mitarbeiter Jörg Kehrmann in bestem Bürokratendeutsch. Befürchtungen, dass über die Kameras mehr Details als notwendig zu sehen sein könnten, widersprach Holger Stephan, Leiter der WSW-Konzernkommunikation: „Die Konturen außerhalb der über die Monitore beobachteten Bereiche sind komplett geschwärzt und nicht nur durch Balken verdeckt.“ Und weiter: „Die Videobeobachtung an einigen zentralen Bushaltestellen der WSW dient der Kontrolle unserer Betriebsabläufe, und der Sicherheit unserer Fahrgäste und unserer Mitarbeiter an den Haltestellen.“ Zudem verwies Holger Stephan auf Anfrage darauf, dass die Maßnahme mit der Datenschutzaufsichtsbehörde NRW in Düsseldorf abgestimmt sei und die Anforderungen von Paragraph 6b Bundesdatenschutzgesetz erfülle, wonach Videobeobachtung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke zulässig ist. Das bestätigte Nils Schröder, Pressesprecher der Datenschutzaufsichtsbehörde: „Wir haben mit der WSW mobil GmbH im September 2013 anhand von konkreten Beispielen erörtert, nach welchen Grundsätzen über die Zulässigkeit von Videoüberwachungsanlagen zu entscheiden ist.“ So sei für jede Haltestelle einzeln zu prüfen, ob, und wenn ja, wie der Einsatz von Videotechnik zulässig ist. Verantwortlich für einen solch legalen Einsatz seien aber die Wuppertaler Stadtwerke selbst. Bei Bedarf würde die Behörde beraten und, bei Bedarf, würden die Kameras auch kontrolliert. Allerdings, so Nils Schröder weiter: „Nach der Beratung im September 2013 gehen wir bis auf Weiteres davon aus, dass die WSW – beraten und unterstützt durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten – das Konzept für die Videoüberwachung an Haltestellen eigenverantwortlich weiterentwickelt hat und dabei zugleich dessen datenschutzgerechte Umsetzung sicherstellt. Einen Anlass für eine Kontrolle durch uns hat es bisher nicht gegeben. Wir behalten uns eine Kontrolle vor, wenn wir Anhaltspunkte für einen Datenschutzverstoß haben, zum Beispiel eine Beschwerde über eine Kamera.“ Beschwerden über die Kameras erwarten die Wuppertaler Stadtwerke offensichtlich nicht. Im Gegenteil. „Die Kameras erhöhen das subjektive Sicherheitsempfinden unserer Kunden und haben – wie wir hoffen – eine abschreckende Wirkung in Bezug auf Sachbeschädigungen, Vandalismus und Gewalt an den Haltestellen. Allerdings werden die Aufnahmen nicht aufgezeichnet, sondern sind nur für die Mitarbeiter in der Leitzentrale ‚live’ zu sehen.“ Es werde also nicht aufgezeichnet, zumindest nicht „derzeit“.

Dezent, und auf den ersten Blick kaum zu entdecken:
Die Überwachungskameras in den neuen Anzeigetafeln der WSW.

Welche Relevanz diese Videoüberwachung ohne Aufnahmen für eine mögliche Strafverfolgung haben soll, ist Rolf Schneider allerdings schleierhaft. Selbst wenn die Videoüberwachung rund um die Uhr in Betrieb wäre, gäbe es im Ernstfall keine belastbaren Daten. Zudem sollen nur die Haltestellenbereiche ohne den angrenzenden öffentlichen Raum zu sehen sein. Weiterhin soll sichergestellt sein, dass umliegende Gebäude und Personen außerhalb der Haltestelle nicht überwacht werden. Und eine offensiv-abschreckende Wirkung kann den Kameras auch nicht bescheinigt werden. Dafür sind sie zu dezent in den Anzeigetafeln eingelassen. Mehr Schein als Sein also? Eher umgekehrt, denn die Kameras könnten theoretisch mehr – mehr als nur nicht abschrecken! Wie viel mehr die Kameras können, das bleibt bislang unklar. Denn entsprechende Fragen haben die Wuppertaler Stadtwerke bislang nicht beantwortet: Welche weiteren Funktionen haben die Kameras? Wie viele dieser Video-Einheiten sind angeschafft worden? Und wo kommen sie zum Einsatz? „Dann wäre es auch noch interessant zu wissen, wie hoch die Anschaffungskosten gewesen sind. Schließlich gehören die Stadtwerke zum großen Teil der Stadt. Und wenn unnötigerweise Geld ausgegeben wurde, für Funktionen die nicht zum Einsatz kommen dürfen, dann ist das meiner Ansicht nach eine pure Verschwendung unserer Steuergelder“, sagt Rolf Schneider.

Information

Übrigens: „Wenn Sie Bedenken haben, ob eine konkrete Videokamera rechtmäßig betrieben wird“, erklärt Nils Schröder, Pressesprecher der Datenschutzaufsichtsbehörde NRW, „können Sie Ihr Auskunftsrecht nach Paragraph 34 Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz geltend machen – und von der WSW mobil GmbH Auskunft über die zu Ihrer Person gespeicherten Daten verlangen.“

Die Kontaktdaten hierfür sind auf der Internetseite des Konzerns www.wsw-online.de erhältlich oder telefonisch unter 0202-5690.

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