Ausgabe 13, Dezember 2014
Manuela Sabozin und Markus Gutfleisch erzählten bei der Vortragsreihe „Das Gespräch“ der Gemeinde St. Joseph von ihren Erfahrungen in der katholischen Kirche.

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Katholisch und homosexuell

Text und Bild Tim Neumann

„Ich bin ja kein Verbrecher, sondern nur schwul!“ Markus Gutfleisch findet deutliche Worte, um zu beschreiben, wie er sich manchmal im kirchlichen Umfeld fühlt. Dabei sei er, so sagt er selbst, „durch und durch katholisch geprägt“, schon als jugendlicher Messdiener wollte er Priester werden und begann sein Studium in katholischer Theologie. Doch in dieser Zeit fühlte er sich nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in seiner Gemeinde isoliert: „Ich habe gedacht, ich bin so ein Einzelwesen. Homosexuelle waren in der Kirche kaum sichtbar. Das hat mich unsicher gemacht.“

Nachdem er sich zu seiner Sexualität offen bekannte, brach Markus Gutfleisch das Theologie-Studium ab und studierte stattdessen Soziale Arbeit. Heute arbeitet er bei der Caritas und sagt über seinen Glauben: „Ich bin auf der Suche nach einer Kirche, in der man gemeinsam und solidarisch ist.“ Weil er im Alltag immer wieder diskriminiert wird, wünscht Markus Gutfleisch sich mehr Akzeptanz für seine sexuelle Orientierung. Als Sprecher der Ökumenischen Arbeitsgruppe „Homosexuelle und Kirche“ (HuK) fordert er die „volle Teilhabe am kirchlichen und gesellschaftlichen Leben“, unabhängig von der sexuellen Orientierung. Dazu gehören für ihn Akzeptanz in Gemeinden, das kirchliche Arbeitsrecht, aber auch die vollständige Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe. In seiner ersten Enzyklika „Lumen Fidei“ („Licht des Glaubens“) beschrieb Papst Franziskus seine Vorstellungen von der Ehe. Für Franziskus stellt die Ehe „die dauerhafte Verbindung von Mann und Frau“ dar, die die Ehegatten befähigt, „neues Leben zu zeugen, das Ausdruck der Güte des Schöpfers, seiner Weisheit und seines Plans der Liebe ist“. Franziskus machte nochmals deutlich, dass für die Ehe im Sinne der katholischen Kirche die Möglichkeit, Kinder zu bekommen, von elementarer Bedeutung ist. Auch in seinen Abschlussworten zur Bischofssynode im Oktober benannte Franziskus erneut „die Unauflöslichkeit, die Einheit, die Treue und die Zeugungsfähigkeit, also die Offenheit für das Leben“ als „fundamentale Wahrheit des Sakraments der Ehe“, und bezog sich dabei auf die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Nahezu keine Akzeptanz für kirchliche Sexualmoral

Diese Definition von Ehe ist nicht mehr für alle deutschen Katholiken zeitgemäß. Zu dieser Einschätzung kommt zumindest die Deutsche Bischofskonferenz nach der Auswertung des Fragebogens zu den „pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung“. Diese Fragen sollten das Meinungsbild der deutschen Katholiken erfassen und als Vorbereitung auf die Bischofssynode im Oktober 2014 dienen. „Die kirchliche Weigerung, homosexuelle Lebenspartnerschaften gesellschaftlich und rechtlich anzuerkennen, wird als Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verstanden“, fasst die Deutsche Bischofskonferenz die Haltung der deutschen Katholiken zusammen. Die Positionen der Kirche zu gelebter Homosexualität und dem Adoptionsrecht für homosexuelle Paare seien schwer vermittelbar, da viele Aspekte der kirchlichen Sexualmoral von einer Mehrheit der Gläubigen nicht geteilt würden. Die Bischofskonferenz kommt zu dem Schluss, dass „die kirchliche Ehetheologie und Sexualmoral nahezu keine Akzeptanz findet“. Immer mehr Menschen stellten besonders die „Zweigeschlechtigkeit der Ehe“ in Frage, sodass es eine Tendenz zur rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften mit der Ehe gebe. Darin sieht die Bischofskonferenz jedoch „eine Gleichmachung von an sich Ungleichem“, denn die Ehe zwischen Mann und Frau habe „mit ihrer Ausrichtung auf Nachkommenschaft und Familiengründung eine andere Bedeutung sowohl für die beteiligten Personen als auch für die Gesellschaft als gleichgeschlechtliche Partnerschaften“. Diese Unterschiedlichkeit solle laut Bischofskonferenz auch in der rechtlichen Stellung zum Ausdruck kommen. Vielen Katholiken scheint insbesondere das „Naturrecht“, also das Kennzeichnen der Ehe von Mann und Frau als einzig natürliche Form, nicht zeitgemäß. So werde dieses oft als „historisch überholt“ bezeichnet, da es im „Widerspruch zu einem eher konstruktivistischen Wirklichkeitsverständnis“ stehe. Auch der Trierer Bischof Stephan Ackermann sieht die Argumentation des „Naturrechts“ kritisch. „Das christliche Menschenbild geht von der Polarität der Geschlechter aus, aber wir dürfen nicht einfach sagen, Homosexualität sei widernatürlich“, sagte er der Rhein Main Presse nach der Veröffentlichung der Fragebogen-Ergebnisse. Die Bischofskonferenz hingegen sieht sich besonders im Bereich der Sexual-, Ehe- und Familienethik mit dem „Vorurteil der Leibfeindlichkeit und einer lebensfeindlichen Gesetzesethik“ konfrontiert – und formuliert an sich selbst den Anspruch, einen Umgang zu finden, um dieses Vorurteil abzulegen.

Es sind Sätze wie die von Bischof Ackermann oder die zum Teil deutlichen Aussagen des Papiers der Bischofskonferenz, die Markus Gutfleisch und seinen Mitstreitern neue Hoffnung auf wirkliche Veränderungen innerhalb der katholischen Kirche machen, vor allem von offizieller Seite. Manuela Sabozin, die Sprecherin des Netzwerks katholischer Lesben (NkaL), lobt vor allem Papst Franziskus, der „frischen Wind“ in den Vatikan gebracht habe: „Er ist einfach menschlicher, wenn er über Themen wie Homosexualität spricht“, sagt sie, und erinnert an die versöhnlichen Töne des Papstes auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro. „Wenn jemand homosexuell ist und guten Glaubens den Herrn sucht – wer bin ich, über ihn zu urteilen?“, hatte Franziskus damals, im Juli 2013 gefragt. Er fügte hinzu: „Homosexuelle sollten nicht an den Rand gedrängt werden. Sie sind unsere Brüder.“ Für Markus Gutfleisch zeigt sich mit Blick auf den Papst ein zwiespältiges Bild: „Für eine offenere Diskussionskultur ist er sehr gut, aber es gibt gleichzeitig deutlich andere Signale.“ So hatte Franziskus noch während der Bischofssynode „wenig erfreut“ auf die Anerkennung homosexueller Ehen durch den Bürgermeister von Rom reagiert. Dass Franziskus zu kontroversen Diskussionen ermutige, sei trotzdem ein gutes Zeichen. Auch der neue Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat laut Markus Gutfleisch positive Zeichen gesetzt. Woelki, der in seiner Zeit als Kölner Weihbischof als Ziehsohn des konservativen Kardinals Joachim Meisner galt, ging später als Erzbischof von Berlin offen auf den Lesben- und Schwulenverband (LSVD) zu. Nur wenige Tage vor seiner Ernennung zum Erzbischof von Köln sagte Woelki dann dem Radiosender WDR 2: „Schwule, Lesben, Homosexuelle gehören natürlich genauso zur Kirche wie alle anderen auch und wir reduzieren niemanden auf seine Sexualität.“ Markus Gutfleisch reagiert insgesamt eher zurückhaltend auf Woelki: „Es gab gute Gespräche, vielleicht war ihm das wegen der starken Homosexuellen-Communitys in Berlin und Köln wichtig.“ „Bahnbrechende Veränderungen“ erwartet er vom neuen Erzbischof nicht. Gutfleisch sieht auch den Fragebogen und die Synode differenziert: „Der Fragebogen hat ein ehrliches Ergebnis gezeigt und durchaus Gewicht, aber die Synode ging da schon wieder in eine andere Richtung.“ Die Synode vom Oktober 2014 war nur der erste Teil der Beratungen, die im Herbst 2015 fortgesetzt werden. Bis dahin sollen laut Papst Franziskus die Entscheidungen reifen und „konkrete Lösungen für alle Schwierigkeiten gefunden werden“. Auch damit wird deutlich, dass der Prozess noch nicht abgeschlossen ist. Die Deutsche Bischofskonferenz nimmt zumindest eine kritische Haltung ein, doch ob diese auch im Vatikan Gehör findet und wirkliche Veränderungen anstoßen kann, wird sich frühestens nach Abschluss der Synode im Oktober nächsten Jahres zeigen.

 

Information

Der Fragebogen zu den „Pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung“ und die Zusammenfassung der Antworten sind auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz www.dbk.de abrufbar.

Die Ergebnisse des Fragebogens gingen in die Beratungen der außerordentlichen Bischofssynode ein, die im Oktober 2014 in Rom tagte. Ihr Abschlusstext ist mittlerweile auf Deutsch unter www.dbk.de abrufbar.

Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) und das Netzwerk katholischer Lesben (NkaL) setzen sich für die rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften ein. Weitere Infos unter www.huk.org und www.netzwerk-katholischer-lesben.de.

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